Segensreiches Wirken von 1869 bis 1985Graue Schwestern in Eisenach

Ein kleiner historischer Exkurs

Die Industrialisierung brachte im 19. Jahrhundert einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. In den prosperierenden Städten wuchsen jedoch gleichzeitig Armut, Krankheit und soziales Elend bei den einfachen Leuten. Vor diesem Hintergrund gründeten sich verschiedene caritative Bewegungen. Auch in Oberschlesien schlossen sich engagierte Frauen zusammen. Ihr Vorbild war die Heilige Elisabeth von Thüringen (1207-1231), die sich als Landgräfin, ohne Rücksicht auf ihren Stand, für ihre notleidenden Landeskinder aufopferte.

Im Jahr 1842 wurde der katholische Orden der Kongregation der Schwestern von der Hl. Elisabeth in Neiße gegründet. Für seine Ordensfrauen steht besonders die göttliche Barmherzigkeit im Fokus ihrer tätigen Nachfolge Christi. Die Grauen Schwestern, wie sie schon früh wegen ihres damals zum Ordenskleid gehörigen grauen Hutes genannt wurden, widmen sich vor allem der Hilfe für Notleidende, Alte und Kranke.

Im Jahr 1869 kamen die ersten beiden Grauen Schwestern nach Eisenach – an die Wirkungsstätte der Heiligen Elisabeth. Hier waren sie zunächst in der ambulanten Armen- und Krankenpflege tätig. Eine der Schwestern betreute eine kleine Industrieschule. Um die Jahrhundertwende betrieben sie auch eine Kommunikantenanstalt. In der protestantisch geprägten Stadt wuchs gleichzeitig, kritisch beäugt, die erste kleine katholische Gemeinde nach der Reformation. Ihre Kirche wurde 1888 eingeweiht.

1871 pflegten die Grauen Schwestern bereits 366 Personen. Während des Deutsch-Französischen Krieges (1870-71) und im Zusammenhang mit der 1878 in Betrieb genommenen evangelischen Krankenanstalt am Diakonissenhaus, wuchs der Bedarf an ambulanter Pflege stetig. Dieser widmeten sich gleichzeitig die katholischen Grauen Schwestern und ab 1872 ebenso die protestantischen Diakonissen.

Um 1900 lebten die Elisabeth-Schwestern mit bedürftigen Kindern in einem einfachen Haus in der Sophienstraße, welches zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem Ausbau der Straße weichen musste. Der Konvent war auf 8 Schwestern angewachsen. Ein einfaches Quartier in Nähe zur katholischen Kirche stand nicht zur Verfügung. So wurde 1908 am ländlichen Ostrand Eisenachs durch die Kongregation der Grauen Schwestern in Breslau ein Grundstück erworben. Es lag im Bereich der Schwanenwiese, zwischen Schillerstraße und Gerbermühle und in unmittelbarer Nähe zum Hörselmühlengraben, in „Klein-Venedig“. In direkter Nachbarschaft des 1896 eingeweihten Diakonissenkrankenhauses erfolgte hier am 18. Oktober 1909 die Grundsteinlegung für das neue Schwesternhaus.

Nach Plänen des Eisenacher Architekten Isidor Seifert entstand ein schönes dreistöckiges Gebäude in Sandsteinarchitektur, straßenseitig geschmückt von einem Renaissancegiebel. Im Erdgeschoss befand sich ein Saal, in welchem der Verein der Erwerbstätigen seine Zusammenkünfte abhielt. Um einen weiteren Teil der Baukosten zu refinanzieren, wurde die zweite Etage einem Rechtsanwalt vermietet. Die Kinder der Kommunikantenanstalt betreuten die Ordensfrauen in der dritten Etage. Im Mansardengeschoss befanden sich bescheidene Schwesternwohnräume, im Keller hingegen das Refektorium, die Küche, ein Arbeitsraum und Wirtschaftsräume. Im Zentrum des Hauses entstand die Herz-Jesu-Kapelle.

Aus dem neuen Schwesternhaus sollte bereits 10 Jahre nach seiner Grundsteinlegung ungeplant das zweite konfessionelle Krankenhaus Eisenachs hervorgehen. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurden zwei Etagen des Hauses durch Verträge mit dem „Königlichen Reservelazarett zu Eisenach“ als Lazarett verfügt. Die Pflege der Verwundeten verlangte eine Ausdehnung der stationären Pflege und stellte die Grauen Schwestern vor neue, große Aufgaben. Die Kinder mussten umziehen. Ihre Betreuung erfolgte ab dem Dreikönigstag 1917 im neuen Kinderheim in der Alexanderstraße 47. Aus den provisorischen Krankenstationen sollte eine richtige Heilanstalt entstehen. Am 18.09.1917 erhält die Oberin eine mündliche Zusage zur Aufnahme auch ziviler Kranker.

Nach der Erteilung der Konzession zum stationären Betrieb erfolgte die Gründung des St. Elisabeth-Krankenhauses zum 1. Mai 1919. Im Sinne einer modernen medizinischen Betreuung wird 1926 das Chefarztsystem eingeführt. Im Spätherbst 1927 beginnt der Erweiterungsbau, der das neben dem Schwesternhaus gelegene Haus des Architekten Kühn mit einbezieht. Ab Ende 1928 können 100 Betten belegt werden.

1935 arbeiten ca. 25 Ordensschwestern im Dienst an den Menschen. Im Krankenhaus werden damals 1430 Kranke (26327 Tagespflegen) und in ihren Wohnungen 626 Kranke (350 Tagespflegen, 789 Nachtwachen) versorgt.
Bis 1964 werden im Haus jährlich auch ca. 150 Kinder geboren. Ab diesem Jahr wird der medizinische Schwerpunkt des St. Elisabeth-Krankenhauses auf die Innere Medizin und Chirurgie verlagert, nur wenige gynäkologische und HNO-Belegbetten werden weiter vorgehalten.

Nach Beschlagnahmung durch Wehrmacht (1941) und Stadtverwaltung (1945), nach Kriegsschäden, zahlreichen Um-, Aus- und Erweiterungsbauten, unter ökonomischem, personellem und politischem Druck entwickelte sich unter den Händen der Grauen Schwestern während zweier Diktaturen eine hochgeschätzte Krankenpflegeeinrichtung. Der Hausleitung wird in der gesamten Zeit viel Fantasie in der Verwaltung manchen Mangels abverlangt. So wurde z.B. zu DDR-Zeiten der Verbleib von Mitarbeitern in Westdeutschland nach Besuchen oder durch Ausreise, oder der staatlich forcierte Mangel an Materialien, von Toilettenpapier bis Technik, zum Problem. Der unter dem Gebäude verlaufende Bach sorgte ebenfalls während manchen Unwetters für Sorgen.
Aus der Bundesrepublik kam in dieser Zeit dankenswerterweise vielfache Unterstützung in Form von modernen Instrumenten, Technik und Ausstattung. Die praktizierte, auf den Menschen ausgerichtete Pflege wurde in der Bevölkerung, unabhängig von der Weltanschauung, hoch anerkannt. Aus der anfänglichen Konkurrenz der katholischen und evangelischen Schwesternschaften in direkter Nachbarschaft erwuchs eine gute Zusammenarbeit zum Wohl der Patienten und ein wertschätzendes, geschwisterliches Miteinander im Geist Christi.

Mit Hingabe, Freude, Disziplin, Geduld, Verhandlungsgeschick, Hartnäckigkeit, Liebe und gläubigem Vertrauen sorgten die Elisabeth-Schwestern stets für die ihnen Anvertrauten.
Die Situation des Ordens zwang die Grauen Schwestern nach 116 Jahren ihres Wirkens, den Konvent in Eisenach aufzugeben. Viele Jahre lang war die Arbeit bereits nur durch die Unterstützung säkularer Mitarbeiter zu stemmen. Doch die Anwesenheit der Schwestern ließ in besonderer Weise den christlichen Geist des Hauses spürbar werden.

Nach der Geschäftsübergabe an die Caritas und der feierlichen Verabschiedung durch die Gemeinde verließen die letzten fünf Schwestern am 30.12.1985 ihre geliebte Wirkungsstätte und zogen in das Provinzhaus Halle/Saale.

Die politischen Umbrüche der Folgezeit sorgten ab 1989 für viele Veränderungen und neue Möglichkeiten, auch für das St. Elisabeth-Krankenhaus. Die guten Kooperationen mit dem Diakonissenkrankenhaus wurden vertieft. Nach der am 01.01.1994 vollzogenen Fusion der beiden konfessionellen Häuser zur Christlichen Krankenhaus gGmbH erfolgte am 01.04.2002 der Zusammenschluss mit der städtischen Wartburg Klinikum Eisenach gGmbH zur St. Georg Klinikum Eisenach gGmbH. Heute beherbergt das ehemalige katholische St. Elisabeth-Krankenhaus einen Teil des Medizinischen Versorgungszentrums und der psychiatrischen Tagesklinik des St. Georg Klinikums.

In Eisenach begann mit den Grauen Schwestern die Krankenpflegekultur nach dem Vorbild der Heiligen Elisabeth in der Nachfolge Christi neu. Möge ihre Zuwendung zu Kranken und Bedürftigen auch heute Beispiel sein und den Blick auf die Nöte unserer Mitmenschen schärfen.